17.12.2024
„Unanständig“: Caritas-Chefin kritisiert Friedrich Merz
Bei einer Rede im Bundestag hat Friedrich Merz Robert Habeck wegen eines Caritas-Projekts kritisiert. Nun wehrt sich deren Präsidentin – und lädt den CDU-Chef ein.
Berlin. Es sollte eine Abrechnung mit Robert Habeck sein. Als Friedrich Merz am frühen Montagnachmittag in der Debatte über die Vertrauensfrage ans Mikrofon trat, attackierte er nicht nur Kanzler Olaf Scholz (SPD), sondern auch Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen. Der habe ja kürzlich die Politikvorschläge der Union als „nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik von gestern“ kritisiert und ein „neues Denken“ gefordert. „Was fällt Ihnen zum neuen Denken ein?“ höhnte Merz in Richtung des Grünen-Politikers: „Dann reden Sie über Kühlschränke und Wärmepumpen.“ In der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt erwarteten die Menschen aber mehr als den Austausch von Kühlschränken, führte der Unionsfraktionschef aus.
Um dieses Caritas-Projekt geht es
Mit den „Kühlschränken“ spielt Merz auf ein Projekt der katholischen Hilfsorganisation Caritas an: den „Stromspar-Check“. Dabei gehen sogenannte Stromsparhelfer in Haushalte, die Sozialleistungen, Bürgergeld oder ein niedriges Einkommen beziehen, und beraten sie, wie sie Strom einsparen können. Verfügt der Haushalt über einen veralteten stromintensiven Kühlschrank, gibt es bis zu 400 Euro Zuschuss für den Kauf eines neuen Geräts. Aber auch alte Glühbirnen werden durch LED-Lampen ausgetauscht, schaltbare Steckerleisten und Wassersparregulatoren eingesetzt. Die Berater sind dabei in der Regel selbst Langzeitarbeitslose, die geschult und mit der Maßnahme wieder an den ersten Arbeitsmarkt herangeführt werden. Das Projekt wird derzeit vom Bundesumweltministerium gefördert, war aber zuvor bei Habecks Wirtschaftsministerium angesiedelt.
Caritas-Chefin nennt Debatte „diffamierend“
Die Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa wies die Kritik von Merz nun scharf zurück. „In der Debatte zur Vertrauensfrage haben wir leider genau die Polarisierung erlebt, vor der wir seit Monaten warnen“, sagte sie dem stern: „Diffamierend wurde hier über die Lebenssituation von Menschen mit geringem Einkommen getönt.“ Gerade einkommensschwache Haushalte seien durch die steigenden Energiekosten aber überproportional belastet. „Energieberatung ist hier doppelt notwendig: Zur Entlastung einkommensschwacher Haushalte und als Beitrag zum konkreten Klimaschutz“, so Welskop-Deffaa: „Es ist unanständig, dieses nachweislich wirksame Projekt ins Lächerliche zu ziehen.“ Nach Caritas-Angaben wurden durch den bundesweiten Stromspar-Check 450.000 Haushalte erreicht. Die durchschnittliche Einsparung pro Haushalt betrage dabei 300 Euro. Seit Projektbeginn seien so 780.000 Tonnen CO2 eingespart worden.
Welskop-Deffaa gehört der Partei von Merz an
Pikant an der Kritik: Welskop-Deffaa ist selbst CDU-Mitglied und in diversen Parteigremien aktiv. Seit 2016 ist sie Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Rente im Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales der CDU. Von 2006 bis 2012 war sie unter den beiden CDU-Ministerinnen Ursula von der Leyen und Kristina Schröder Ministerialdirigentin im Bundesfamilienministerium. Und noch etwas scheint Friedrich Merz bei seiner Kritik übersehen zu haben. Der Stromspar-Check wurde 2008 initiiert, unter der schwarz-roten Bundesregierung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Spitze. Robert Habeck wies Merz bei seinem Auftritt im Bundestag am Montag denn auch genüsslich auf diesen Fakt hin.
Caritas-Chefin lädt Friedrich Merz ein
Merz ist freilich nicht der Erste aus der Union, der das Caritas-Projekt kritisiert. Zuvor hatte dies bereits Fraktionsvize Jens Spahn getan, auch hier mit dem Ziel, Habeck eine verfehlte Politik vorzuwerfen. Auch ihm war dabei offenbar nicht bewusst, dass es sich um ein ursprünglich schwarz-rotes Projekt handelt. Caritas-Präsidentin Welskop-Deffaa will den Wissenslücken in der eigenen Parteiführung jetzt Abhilfe schaffen: „Gerne laden wir Herrn Merz ein, damit er den hoch innovativen Stromspar-Check in der Praxis erleben kann.“ Sie hoffe, dass die Debatte am Montag „einen Ausreißer darstellt und sich alle Akteure wieder auf einen „faktenbasierten Wahlkampf“ konzentrierten: „Arm und Reich dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“
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